Mit Geduld zur Kerze

Der Docht am Finger weist den Weg. Er verlangt Geduld. Jungs
bringen das erstaunlicherweise ebenso gerne auf wie Mädchen.
Kerzenziehen, ein schönes Ritual in der Adventszeit, wirkt angenehm
entschleunigend. Und Weihnachten scheint näherzurücken.
■ Von Susi Schildknecht

Alle Jahre wieder … freuen wir uns aufs Kerzenziehen. In der Adventszeit wird das an manchen Orten angeboten, etwa in Chur, wie in der letzten Büwo zu lesen war (www.kidsevent.gr). Wir nutzen das Angebot des Frauenforums Maienfeld und pilgern in den altehrwürdigen Klostertorkel. Schon frühmorgens herrscht hier reger Betrieb. Die 5./6. Kombiklasse aus Untervaz ist mit Lehrer Andri Camenisch und Heilpädagogin Anna-Katharina Brosi mit Bus und Zug angereist. Über diesen Auszug motzt keiner und keine, die Buben und Mädchen sind für einmal einhellig Feuer und Flamme.

Elena, Nadine (9) und deren Bruder Timo (7) wählen ihre Dochte in gewünschter Länge und inspizieren schon mal die Wachsstationen. In schmalen, tiefen Blechbehältern lockt hier Flüssigwachs in Rosa bis Blau, da die warmen Gelb- bis Rottöne und dort Grün, Weiss und Schwarz. In der Ecke duftet ein Bienenwachstopf, hier wird nichts gemixt. Maya, eine der Initiantinnen, gibt gemeinsam mit anderen freiwilligen Helferinnen geduldig Anweisungen und hilft, wo nötig. Wer den Docht besonders lange ins Töpfchen hält, dem schmilzt die Kerze wieder weg. Nur mit Geduld kann die Kerze Schicht um Schicht wachsen. Timo sieht mich fragend an. Ich zieh den wachswarmen Wachsstengel gerade und ermuntere ihn. In den nächsten anderthalb Stunden pendelt er konzentriert hin und her zwischen Wachstöpfen und Auskühlstelle draussen vor der Türe.

Die sind alle so schön!

«Wow, ist das ein fettes Teil, und Schwarz ist so cool!» Mit ungebrochener Begeisterung machen sich die Untervazer Kinder ans Verzieren. Kerzenscheibchen werden angeklebt und mit einem kurzen Paraffinbad fixiert. Und dann gibt es da noch Zauberwachs. Ein Taucher genügt, und auf den farblich schlichten Kerzen poppen zauberhafte Schneesternchen auf. Welch magisches Finish!
Timo, der jüngste unseres Teams, trägt sehr stolz die zwei dicksten Kerzen nach Hause. Wunderschöne Weihnachtsgeschenke für… psst! Elena und Nadine, allzeit bereit für prüfende Vergleichsgespräche, dürfen mit ihren kreativ gefertigten Kerzen ebenfalls zufrieden sein. Und das Journalisten-Mami? Die wollte wieder einmal alles gleichzeitig bewältigen: Fotografieren mit Müttern und Lehrern schwatzen und gleichzeitig selbst zwei Kerzen produzieren. Die grazilen Resultätchen werden mir ein kurzes Weilchen zu verstehen geben, dass weniger auch mehr sein kann. Einleuchtend, oder?
PS: Dank des Schwatzens weiss ich, dass die Untervazer 5./6.-Kombiklasse regelmässig am Mittwoch die Büwo liest. Hiermit ein Gruss auf Zeitungspapier in die Deutschstunde!

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