Bericht über die Wanderung
Datum: Samstag, 24. Mai 2014
Leitung: Georg Donatsch und Candid Grab
Teilnehmer: 25
Treffpunkt 08.00 Uhr auf dem Parkplatz beim Bahnhof Malans
Nach der Begrüssung durch den Präsidenten Reto Bernhard fuhren wir mit zwei Kleinbussen ab Malans zum Restaurant Fadära, wo wir uns mit Kaffee und Gipfeli stärkten und nachher zum Fadärastein hinauf liefen. Da genossen wir die herrliche Aussicht und wanderten anschliessend nach Malans hinab, besuchten dort den Barockgarten vom Schloss Bothmar, und zum Schluss offerierte uns Peter Wegelin in seinem Torkel einen feinen Apéro.
Candid Grab und Georg Donatsch orientierten uns unterwegs über die Gemeinde-grenzen sowie allerlei Wissenswertes über Malans.
Andreas Salzgeber hatte die Aufgabe, über den Dichter Johann Gaudenz von Salis und dessen Beziehungen zu Seewis und Fadära zu erzählen:
Die Seewiser Salis
sind die Nachkommen einer uralten oberitalienischen Adelsfamilie, die im 13. Jh. nach Soglio einwandert und zu einem mächtigen Geschlecht im Dreibündestaaat wird. Der erste Salis kommt 1594 nach Seewis, sein Sohn Dietegen baut das Schloss. Die Familie erwirbt im Laufe der Zeit mehr als 1/10 der gesamten Kultur-fläche von Seewis.
Johann Gaudenz Dietegen von Salis. geb. 1708 in Flims, residiert bis zu dessenTod 1777 auf dem Seewiser Schloss. Fast 40 Jahre lang Landammann der Gerichts-gemeinde Seewis. Er hat auch Besitzungen in Flims, Chur, Meilen, Küsnacht ZH und St. Margrethen. Für den französischen König vertritt er dessen Interessen in Bünden und wird von ihm in den Grafenstand erhoben.
Verheiratet mit Catharina v. Cleric aus Chur.
Drei Kinder: Herkules, Elisabeth und Johann Ulrich. Letzterer, 1740-1815, heiratet Jakobea von Salis-Bothmar in Malans.
Die Salis-Seewis in Malans
Johann Ulrich von Salis heiratet mit 20 Jahren die 19-jährige Jakobea von Salis-Bothmar. Sie ist Alleinerbin des Bothmarbesitzes samt Turmhaus und Gütern in Bergün und Weissenstein. Johann Ulrich ist mit 15 Jahren Inhaber einer Gardekompanie in Frankreich, mit 20 Jahren Landvogt in Maienfeld, mit 20 Bundslandammann, höchste Ämter in Bünden und den Untertanenlanden.
7 Kinder: Johann Gaudenz, Jakobea, Gubert Abraham, Catharina, Herkules, Anna Paula, Johann Ulrich (und zwei weitere, die als Kleinkinder sterben).
Johann Gaudenz von Salis-Seewis
1762-1834. Er steigt oft über Fadära zu seiner Grossmutter Catharina Salis geb. Cleric. Zu ihr hat er eine innige Beziehung, und gemeinsam wandern sie oft zu den Salisgütern. Nach beglückenden, heiteren Tagen muss er aber jeweils zurück nach Malans.
Dort strenge Erziehung durch einen tüchtigen Hauslehrer. Mit 16 Jahren in Begleitung eines bedeutenden Pädagogen nach Lausanne zur Erlernung der französischen Sprache und Sitten. Eifriger Leser.
Mit 17 Jahren als Fähnrich nach Frankreich in die Schweizergarde, rascher Aufstieg zum Hauptmann. Kein strenger Dienst : Viel Freizeit, Theater, Sport und Spiel. In zwei Jahren liest er 174 Bücher. Der schmucke Offizier hätte grosse Chancen bei den Frauen, er flieht aber oft die mondäne Gesellschaft und reitet statt dessen durch Felder und Fluren. Heimweh plagt ihn.
In dieser Zeit schreibt er viele Gedichte, die oft vertont werden. Allein Franz Schu-bert lässt sich von 14 Gedichten zu 20 Kompositionen inspirieren. Salis gilt zu seiner Zeit als bedeutendster Schweizer Lyriker, als „Rätische Nachtigall“.
Immer wieder Reisen in die Niederlande, Deutschland und nach Bünden. Besuche bei Goethe, Schiller, Herder…
Adel und Klerus unterdrücken das einfache Volk und saugen es aus. 1789 setzt sich dieses zur Wehr: Sturm auf die Bastille, 1792 Tuileriensturm. Viele Tote bei der Schweizergarde. Schreckensherrschaft von Robespierre. Salis erlebt diese Zeit hautnah und hat grosse Sympathie für das notleidende Volk, ist aber durch den Treueid an den König gebunden. Er kehrt enttäuscht heim.
Heirat
Schon 1787 lernt er die 16-jährige Ursina Pestalozzi in Malans kennen und lieben. Sein Vater hat aber alle bereits verheirateten Geschwister mit Angehörigen der Salis-Dynastie verehelicht und gibt das Einverständnis zur Eheschliessung seines ältes- ten Sohnes erst 1793. Das Paar kann ins Turmhaus einziehen, das Johann Gau- denz nach dem Tod seiner Mutter geerbt hat. Der Ehe entspriessen vier Kinder.
Gründervater der modernen Schweiz
Bünden ist damals ein selbstständiger Staat, der in zwei Parteien gespalten ist: Die Aristokraten, welche, gedeckt von der Schutzmacht Österreich, die alte Ordnung mit der Adelsherrschaft weiter führen wollen und anderseits die Patrioten, die unter Frankreichs Führung den Anschluss an die Schweiz suchen. Salis ist zwar Aristokrat vom Scheitel bis zur Sohle. Trotzdem sieht er ein, dass die Zeit der unumschränkten Adelsherrschaft, wie sie sein Vater sieht, vorbei ist. Er schliesst sich zum Leidwesen des Vaters der Patriotenpartei an.
Mit seinen Freunden kämpft er für den Anschluss Bündens an die freiheitlich orientierte Helvetische Republik. Viele Herrschäftler sind für den Anschluss an die Schweiz. Deshalb stellen die Malanser und Maienfelder auch da, wie z.B. im Aargau, Freiheitsbäume auf. Die Altgesinnten jedoch liebäugeln mit einer Zusammenarbeit mit Österreich. So wird u.a. die Herrschaft um 1800 mehrmals Kriegsschauplatz: Bündner, Franzosen und Österreicher besetzen das Land. Die Herrschäftler leiden unsäglich durch die Besetzung und Einquartierung fremder Truppen, die Küchen und Keller vollständig leeren. Salis muss mit seiner Familie und weiteren Patrioten über den Kunkels nach Bad Ragaz und weiter nach Zürich fliehen.
Apropos Bündner Herrschaft: Der Name leitet sich von der Zeit her, da die Gerichte Maienfeld und Malans Untertanengebiet der Drei Bünde waren. 1509 und 1536 kauften die Bündner diesen Landstrich von den verarmten Herren von Brandis und schickten „auf der Rod“ Landvögte nach Maienfeld. Weil aber die Herrschäftler als Mitglieder der X-Gerichte sich am Kauf auch beteiligten, waren unsere Vorfahren zugleich Beherrschte und Herrscher.
J.G. von Salis wird in Zürich Generalinspektor der helvetischen Truppen. In Bern erhält er eine Stelle am Kassationsgerichtshof, auch wird er Mitglied der Tagsatzung.
Schliesslich setzt Napoleon den Wirrnissen ein Ende, und die helvetischen Kantone unterzeichnen den Mediationsvertrag. Graubünden kommt 1803 als neugegründeter Kanton zur Schweiz.
Nun kann Salis mit der Familie nach Graubünden heimkehren. Da bekleidet er verschiedene Staatsämter und wird eidgenössischer Oberst.
Bis zu seinem Tod am 29. Januar 1834 lebt er zurückgezogen im Turmhaus, dann wird er gemäss seinem Wunsch in Seewis beerdigt.
Besichtigung des Barockgartens vom Schloss Bothmar 4
Erste bekannte Schlossbesitzer zwischen 1500 -1550 sind die Beeli von Belfort, nachher folgende Patrizierfamilien: von Moos, genannt Gugelberg / die Planta von Wildenberg / die von Salis-Maienfeld (Salis de Bothmar) / seit 1762 bis heute die von Salis-Seewis.
Der nach französischem Muster angelegte Garten gilt als einer der schönsten Barockgärten der Schweiz. Er wurde zwischen 1740 und 1750 eingerichtet und wird heute noch gepflegt: Springbrunnen und geschnittene Buchsbäume, Goldene Grafenkrone beim Eingang, Nachtigallenwäldchen mit Büste des Dichters, im Ruchenberg Mammutbaum.
Fadära
Gerne hätte sich Salis nach seiner Heimkehr nach Graubünden in die stille, einfache Natur zurückgezogen, kann sich aber als vom Staat und Militär überall beanspruchter Vater diesen Wunsch nie erfüllen im Gegensatz zu seiner Tochter Ursina (Sina).
Diese heiratet 1828 den Seewiser Anton Michel (oder Michèl) aus einer angese-henen Seewiser Familie. Geboren um 1800, besucht er die Schule in Seewis und nachher die neu gegründete Kantonsschule in Chur, tritt in die Schweizergarde des Königs Luwigs XVIII., erlebt dort als Hauptmann die Julirevolution, Rückkehr mit der Familie in die Schweiz. Landwirt auf Fadära. Eidgenössischer Oberst.
1839/40 baut er für die Frau Sina auf seinem Boden auf Fadära ein Landhaus, das unmittelbar an das Gut „Underfadära“ der Familie Salis-Seewis angrenzt. Es ist das einzige Haus in der Gegend, zunächst ohne Fahrweg. Später übernimmt er Under-fadära von den Erben des verstorbenen Bruders des Dichters, Herkules von Salis.
1851 stirbt Johann Kaspar, der einzige Sohn der Eheleute Michel und 1857 auch Sinas Ehemann. Die Witwe verkauft alle ihre Seeewiser Güter an Anton Heinz von Valzeina und Benedikt Thöni von Überlandquart.
Im vornehmen Sommerhaus in Fadära wird eine Gaststätte eingerichtet und Thönis Schwiegersohn, Jann Tönz, baut später ein Gästehaus an.
Quellen:
Guido von Salis-Seewis: Ein bündnerischer Geschichtsforscher vor 100 Jahren, Sauerländer 1926
Adolf Frey Johann Gaudenz von Salis, Verlag Huber 1889,
Walter Zindel-Kuoni: J.G. v. Salis-Seewis, Verlag Desertina 2006 und
Robert Donatsch: Malans in der Bündner Herrschaft, Calanda Verlag Chur 2002
Malans, 17. Juni 2014 Andreas Salzgeber